Nur jeder vierte Betrieb bildet aus
Deshalb warben Agentur-Chef Jürgen Koch und seine Kollegen mit kirchlichem Segen dafür, beim Thema Ausbildungsplätze noch etwas mehr zu tun, als bisher: 190 Bewerber noch ohne Lehrstelle
Von Thomas Emons
Nur jeder vierte Betrieb in Mülheim bildet aus. Für Stadtdechant Janßen und Weihbischof Franz Grave war das gestern Grund genug, um dem Inhaber der a, Wischer Weg ansässigen Kraftfahrzeug-Handel und Service GmbH, Oliver Kammann, dafür zu danken, dass er aktuell fünf junge Männer zu KFZ-Mechatronikern ausbildet und darüber hinaus, an alle Betriebe und Arbeitgeber der Stadt zu appelieren, „bei der Ausbildung vielleicht noch eine Schippe drauf zu legen“.
Für Kammann, der seinen Betrieb 1996 vom Vater übernahm, steht fest: „Man kann nicht über Fachkräftemangel klagen, selbst aber nicht ausbilden wollen.“ Für ihn ist die Ausbildung von Marvin Puchert (17), Luca Strucksberg (16), Dennis Krüger (18), Niko Dangiris (22) und Dominik Rillo (19) „eine Investition in meine Monteure von morgen.“ Gerne würde Kammann, der alles vom kleinen PKW bis zum großen LKW technisch auf Vordermann bringt auch seinen syrischen Praktikanten Mazhar AlMonajed in eine Ausbildung übernehmen. Doch das scheitert bisher an der Geografie. Denn der 23-Jährige, der in Syrien Jura studiert und neben bei in der KFZ-Werkstatt seines Onkels gearbeitet hat, hat zwar einen Führerschein, aber kein Auto, um dauerhaft von seinem Wohnort Moers nach Mülheim zu kommen.
„Ich habe durch die Arbeit hier viele neue Vokabeln kennengelernt, zum Beispiel Zündkerze und Kolbenrückholfeder“, berichtet der junge Mann.
„Das jemand perfekt deutsch spricht ist doch nocht so wichtig, wie der Umstand, dass man sich versteht, gegenseitig hilft und sich bemüht. Was der Eine nicht weiß, weiß der Andere“, bringt der Azubi Dennis Krüger aus den Punkt, was die Blaumann-Fraktion zusammenhält.
„Ihr gebt uns mit eurer Solidarität im Kleinen ein gutes Beispiel dafür, wie es im Großen besser funktionieren könnte“, freut sich Grave. Besser werden muss aus Sicht des Chefs der Agentur für Arbeit, Jürgen Koch, „die Netzwerkarbeit, wenn es darum geht, Menschen in Ausbildung und Arbeit zu bringen.“ Erika Pulikow-Fast vom Arbeitgeberservice der Agentur glaubt, dass mehr Arbeitgeber ausbilden würden, wenn sie besser über die vorhandenen Fördermöglichkeiten der Agentur für Arbeit Bescheid wüssten. „Ausbildung und Arbeit sind auch für Menschen mit Behinderung ein Grundrecht“, stellte Stadtdechant Janßen fest. Ihn ärgert es, dass viele Schwerbehinderte, trotz hoher Motivation und Qualifikation viel zu oft keine Chance bekämen.
„Ausbildung und Arbeit sind das Fundament des Lebenshauses!“
Franz Grave, Weihbischof
Mit dem Besuch des vorbildlichen Ausbildungsbetriebes
KHS warben Kirche und Agentur für Arbeit für mehr Lehrstellen.
FOTO: OLIVER MÜLLER
Hier sehen Sie den original Zeitungsartikel: Grave 08.09.16 WAZ NRZ